Zur Geschichte des Bergsports in Altenburg

Teil 1:  Der Alpenverein in Altenburg, 1907 bis 1945/48 

Am 23. Dezember 1907 erfolgte in Altenburg (Thüringen) die Gründung einer Sektion des damals noch vereinten Deutschen und Österreichischen Alpenvereins (DÖAV). Damit wurden auch erstmals die grundlegenden Voraussetzungen für eine bergsteigerische Entwicklung in Altenburg geschaffen.

Inzwischen sind weit mehr als 100 Jahre vergangen. Während dieser Zeit haben sich das Vereinsleben und der Bergsport ständig verändert, auch aufgrund der häufig wechselnden politischen Verhältnisse in Deutschland. Es gab Zeiten der politischen Einflussnahme auf den Verein, aber auch der Einschränkung des Bergsteigens selbst. Dennoch kann der Bergsport in Altenburg auf eine lange Tradition zurückblicken.

Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Bergsteigens war jedoch die Gründung des Altenburger Alpenvereins im Dezember 1907. Über dieses Ereignis informiert auszugsweise der nachfolgende Artikel von Oberlehrer Balduin Gärtner, der dem gedruckten "Jahresbericht der Sektion Sachsen-Altenburg des Deutschen und Österr. Alpenvereins für 1908" entnommen wurde:

„Der Gedanke, in Altenburg eine Sektion des D. und Ö. Alpenvereins zu gründen, hatte schon manchem Alpenfreund das Herz bewegt; doch war es bislang nicht gelungen, ihn in die Tat umzusetzen. Da gaben sich im Jahre 1907 nach einer Weißkugelbesteigung, die sie mit den Herren Dr. Habel in Breslau und Assessor Kieser in Freiburg i. Br. glücklich durchgeführt hatten, zwei Altenburger Alpinisten - nämlich der Seminarlehrer Guido Etzold und der Unterzeichnete - das Versprechen, nicht eher zu ruhen, bis in Altenburg die Gründung einer Sektion vollzogen sei. Nach Altenburg zurückgekehrt, gewannen sie eine Anzahl Alpenfreunde für den Plan und machten durch die Tagespresse weitere Kreise darauf aufmerksam. Trotzdem traten Bedenken gegen die Sektionsgründung auf, die hauptsächlich dahin gingen, daß es wohl besser sei, einer großen Sektion, wie z. B. der Leipziger, die ihre Arme auch über das Herzogtum Sachsen-Altenburg ausstreckt, anzugehören, als eine neue ins Leben zu rufen, die nie von Bedeutung sein werde. Der Ausdauer einiger Getreuen gelang es, diese Bedenken zu zerstreuen oder doch in den Hintergrund zu stellen, und so schrieb man, nachdem auch benachbarte Sektionen ermutigend eingegriffen hatten, für den 11. November 1907 eine Zusammenkunft von Alpenfreunden in Gündels Weinstuben aus, zwecks Gründung einer Altenburger Sektion. So erschienen zu dieser Versammlung 17 Herren... Nachdem die Vorarbeiten weit genug gediehen waren, berief man auf den 23. Dezember 1907 eine zweite Versammlung ein und schritt an diesem Abende zur Gründung der Sektion, die den Namen Sachsen-Altenburg erhielt, weil man erwartete, daß die meisten Mitglieder wohl aus unserem Herzogtume kommen würden, wenn auch die Aufnahme von Mitgliedern nicht auf das altenburgische Staatsgebiet zu beschränken sei. ...
An der Gründung beteiligten sich 30 Alpenfreunde. Rasch wuchs der Mitgliederbestand, und als das erste Geschäftsjahr zu Ende ging, waren der Sektion 126 Mitglieder beigetreten. ..
.“

Als Hauptinitiatoren dieser Vereinsgründung müssen insbesondere die Lehrer Balduin Gärtner und Guido Etzold genannt werden, die sich damals am stärksten für eine Alpenvereinssektion in Altenburg engagierten. Diese beiden sowie Regierungsrat Otto Gerhardt (1. Vorsitzender), Dr. med. Carl Francke (Stellvertreter) und Ölchemiker Curt Proeßdorf (Rechnungsführer) bildeten auch den ersten gewählten Vorstand.

In den Folgejahren entwickelte sich innerhalb der Sektion ein viele Bereiche abdeckendes Vereinsleben. Zu den Aktivitäten gehörten bergsportliche Unternehmungen im Alpenraum, Hochgebirgswanderungen, Wanderungen in der näheren und weiteren Umgebung von Altenburg, Ausflüge der Skiabteilung, eine umfangreiche Vortragstätigkeit, die Anlegung eines alpinen Steingartens (das sogenannte Alpinum) am westlichen Eingang in den Herzog-Ernst-Wald, Kontakte zu Nachbarsektionen, die Unterhaltung einer sektionseigenen Bibliothek mit überwiegend alpiner Literatur sowie gesellige Zusammenkünfte.

Zum Höhepunkt der Vereinstätigkeit kam es zweifelsohne im Jahr 1930, als man gemeinsam mit der Sektion Werdau des DÖAV die 2.124 Meter hoch gelegene Rastkogelhütte in den Tuxer Alpen in Tirol, oberhalb von Hippach im Zillertal, erbaute. Ein ausführlicher Bericht über die wechselvolle Geschichte dieser Berghütte, die sich heute im Besitz der DAV-Sektion Oberkochen befindet, ist im Altenburger Geschichts- und Hauskalender 2002 enthalten.  /1/
 
 
Die Rastkogelhütte der DÖAV-Sektionen von Werdau und Sachsen-Altenburg um ca. 1934. Im Hintergrund die Ahornspitze (2.973 m) und die Zillertaler Alpen.
Der Altenburger Bergsteiger Fritz Pfeifer mit seinem Sohn Werner im Sommer 1942 beim Gletscheraufstieg in den Zillertaler Alpen.


Politische Angelegenheiten durften jedoch, wie in der damaligen Vereinssatzung festgelegt, innerhalb der Sektion nicht erörtert oder verfolgt werden. Dabei handelte es sich um einen rein bürgerlichen Verein, dem Anfangs fast ausschließlich Mitglieder aus Kreisen der Intelligenz und des Großbürgertums angehörten. Ab einer bestimmten Stellung innerhalb der Gesellschaft war es fast Pflicht, auch Mitglied im Alpenverein zu sein. Mitbürger aus eher bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen waren unerwünscht. Jedes Neumitglied mußte deshalb entsprechende Bürgen vorweisen, um im Verein aufgenommen zu werden. Betrachtet man die Mitgliederlisten der Sektion Sachsen-Altenburg aus jener Zeit, so stehen dort vor allem Lehrer, leitende Beamte, Fabrikanten, Diplom-Volkswirte, Juristen und eine große Anzahl Geschäftsinhaber (Kaufleute).

Die zunehmende öffentliche Wahrnehmung des Alpenvereins, verbunden mit dem einsetzenden Trend zur aktiven Freizeitgestaltung in der Natur, bescherte in der Folgezeit auch dem Altenburger Alpenverein einen ständigen Zulauf an neuen Mitgliedern. Im Jahr 1925 erreichte die Sektion Sachsen-Altenburg mit 409 eingetragenen Mitgliedern ihren Höchststand, womit sie sogar zur damals zahlenmäßig stärksten Sektion des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins in ganz Thüringen aufstieg. Auch in den Folgejahren wurde die Mitgliederzahl von 200 niemals unterschritten.

Neben seinem Hauptanliegen, alpine Sportarten zu fördern sowie Bergfahrten in die Alpen zu unterstützen und zu ermöglichen, wirkte der Verein ebenso für das Kennenlernen der Altenburger Heimat und entsprach somit einem großen Interessentenkreis. In der 38jährigen Vereinsgeschichte, zwischen 1907 und 1945, wurde die ehrenamtliche Funktion des ersten Vorsitzenden von folgenden Personen ausgeübt:
 
Oberregierungsrat Otto Gerhardt von 1907 bis 1911
Rechtsanwalt Johannes Stolze von 1911 bis 1913
Rektor Paul Staude von 1913 bis 1919
Ölchemiker Curt Proeßdorf von 1919 bis 1926
Oberstudienrat Dr. Robert Dölle von 1926 bis 1932
Oberlehrer Balduin Gärtner von 1932 bis 1933
Regierungsveterinärrat Dr. Erhardt Fischer von 1934 bis 1936
Reichsbahn-Oberinspektor Arno Pinkert von 1936 bis 1945

Was den Berg- und Klettersport betraf, so konnte der Verein im Laufe der Jahre auf eine große Anzahl Bergsteigerinnen und Bergsteiger verweisen, die in fast allen Gebieten der Alpen tätig waren. Besondere Erwähnung verdienen hierbei (in zeitlicher Reihenfolge) Chemiker Curt Proeßdorf, Regierungsrat Otto Gerhardt, Diplom-Kaufmann Oscar Piering, Seminarlehrer Guido Etzold, Lehrer Balduin Gärtner, Lyzeallehrer Johannes Gottschling, Musiklehrerin Helene Bläßig, Dr. med. Carl Francke, Justizamtmann Johannes Oertel, Amtsrichter Ernst Lindner, Studienrat Dr. Robert Dölle, Staatsrat Karl Mehnert, Lehrer Fritz Pfeifer, Lehrer Georg Plietzsch, Else Pfeifer, die Lehrer Ernst Nitzsche und Fritz Etzold aus Treben, Lehrerin Elisabeth Jasper, Johanna Hohl, Dentistin Marianne Winkler, Else Hasse und Syndikus Dr. Hans Schramm. Sie alle können als die jeweils besten und aktivsten Altenburger Bergsteiger der damaligen Zeit bezeichnet werden. Ihnen gelangen Gipfelbesteigungen solch namhafter Berge der Alpen wie Finsteraarhorn (4.273 m) und Jungfrau (4.158 m) in den Berner Alpen, Ortler (3.905 m) im Ortlergebiet, Großglockner (3.798 m) in den Hohen Tauern, Breithorn (4.164 m) in den Walliser Alpen, Piz Buin (3.312 m) im Engadin, Piz Linard (3.411 m) in der Silvretta oder das technisch schwierige Totenkirchl (2.193 m) im Kaisergebirge, um nur einige zu nennen. Mit diesen Bergtouren konnte man sich durchaus sehen lassen.
 
 
Auf Klettertour im Kaisergebirge, Sommer 1943. Im Vordergrund Dr. Hans Schramm.
Rudolf Friedrich aus Altenburg in einem Eisbruch der Ötztaler Alpen, Sommer 1943.


Doch ebenso standen Altenburger Bergsteiger auf dem berühmten Matterhorn (4.478 m) in den Walliser Alpen, das bereits 1925 durch die beiden Trebener Lehrer Ernst Nitzsche und Fritz Etzold sowie 1929 durch Staatsrat Karl Mehnert aus Altenburg bestiegen wurde. Daß diese Aufstiege jeweils in Begleitung von Bergführern erfolgten, mindert die vollbrachte Leistung keinesfalls. Eine im Jahr 1930 durchgeführte Besteigung des 4.275 Meter hohen Finsteraarhorn in den Berner Alpen durch Johanna Hohl bedeutete gleichzeitig Höhenrekord unter den Altenburger Alpinistinnen, der zudem bis 1988 Bestand hatte. Als beachtliche Leistung dürfte ebenfalls die Besteigung des Popocatepetl (5.452 m) und des Iztaccihuatl (5.286 m) gelten, die Ingenieur Zabel während seines Aufenthaltes in Mexiko im Jahr 1926 gelang.

Für uns aus heutiger Sicht interessant ist weiterhin die Tatsache, daß durch Altenburger Bergsteiger (unter ihnen Studienrat Dr. Robert Dölle, Staatsrat Karl Mehnert, Syndikus Dr. Hans Schramm und Dentistin Marianne Winkler) auch die Hohe Tatra aufgesucht wurde. Die dabei unternommenen Bergtouren führten u.a. zur Koncista (2.535 m), zur Meeraugspitze (2.503 m), zum Karfunkelturm/Jastrabia veza (2.139 m), zur Eistalerspitze/Ladovy stit (2.628 m) und ebenso zur Gerlsdorfer Spitze (2.663 m).

Nicht in Vergessenheit geraten sollte auch eine Gipfelbesteigung des Großglockner (3.798 m) im Jahr 1855 durch den Pfarrer und Hauslehrer H. Findeisen aus Göllnitz bei Altenburg. Begleitet wurde er damals von zwei Führern und einem Knecht aus Heiligenblut. Wahrscheinlich handelte es sich hierbei um die älteste nachweisbare Besteigung eines Alpengipfels durch einen Bürger des Altenburger Landes. H. Findeisen war zudem einer von nur fünf Bergsteigern, die zwischen 1847 und 1864 den Gipfel des Großglockner in den Hohen Tauern erreichten.

 
 
Letzter Hüttenabend auf Moserboden am 5. März 1939. Von links nach rechts: Kurt Barasch (im Trainingsanzug), Heinz Auersch (mit Brot in der Hand) und Walter Lipfert (Arme verschränkt, ganz rechts).
Das letzte Foto der Altenburger vor ihrem Biwakplatz in der Nähe der Führerscharte. Nur etwa 50 Schritt davon entfernt wurden die 3 Bergsteiger am 23. März 1939, nach einen über 10 Tage anhaltenden Schneesturm, erfroren aufgefunden.


Abschließend noch zu einem traurigen Kapitel in der Vereinsgeschichte. Dieses endete mit dem Tod von drei jungen Bergsteigern aus Altenburg. Der Techniker Heinz Auersch, der Schlosser Walter Lipfert und der Glasbläser Kurt Barasch befanden sich am 6. März 1939 auf dem Weg durch das Riffeltor (3.116 m) zur Oberwalderhütte, um einen Tag später von dort aus den Großglockner zu besteigen. Doch zu diesem Zeitpunkt brach ein über 10 Tage anhaltender Schneesturm los, der die drei Bergsteiger überraschte. Vermutlich sind sie im Schneesturm von der richtigen Route abgekommen und konnten den Weg zur Oberwalderhütte nicht mehr finden. Daraufhin entschlossen sie sich zu einem Freibiwak in der Führerscharte, wo man in einer selbst ausgegrabenen Schneehöhle auf Wetterbesserung wartete. Ein Ende des Schneesturms war jedoch nicht abzusehen.

Die Rettungsstelle des Deutschen Alpenvereins in Heiligenblut vermutete, daß die Altenburger Bergsteiger nach Tagen des Freibiwaks bereits geschwächt und mit zum Teil schweren Erfrierungen in ihrer Notlage versuchten, die nur etwa 30 Minuten entfernte Hütte zu erreichen. Anders war es wohl kaum zu erklären, denn alle drei wurden im Umkreis von nur ca. 50 Schritt vom Biwakplatz entfernt am 23. März 1939 erfroren aufgefunden. Ursache dieses tragischen Ereignisses waren die extremen Wetterbedingungen, die damals am Großglockner herrschten.

 
Einige Mitglieder des damaligen Altenburger Alpenvereins im Vereinszimmer im Haus der Landwirte, während des Besuchs der Hüttenwirtsleute der Rastkogelhütte, Sepp und Fini Wegschneider, in Altenburg. Die Aufnahme entstand im Februar 1933, zum 25jährigen Sektionsjubiläum.
Vordere Reihe von rechts:  Else Pfeifer, Fini Wegschneider, Balduin Gärtner, Sepp Wegschneider (die restlichen Personen sind unbekannt).
Hintere Reihe:  2. von rechts, Dr. Hans Schramm, daneben, Fritz Pfeifer (die restlichen Personen sind unbekannt).
Auf dem Tisch das Modell der Rastkogelhütte.


Nach 1933 wurden die Auswirkungen der Machtergreifung Hitlers und der NSDAP in allen Bereichen der Gesellschaft immer deutlicher spürbar und blieben auch für den Alpenverein nicht ohne Folgen. Erklärtes Ziel der Reichssportführung war es, die Eigenständigkeit der Vereine aufzuheben und der staatlichen Kontrolle zu unterstellen. Als Instrumentarium hierfür diente u.a. das Gesetz zur Gleichschaltung, was auch die nationalsozialistische Ausrichtung aller Institutionen und Vereinigungen zum Ziel hatte. Im Jahr 1936 kam es schließlich zur Eingliederung sämtlicher Alpenvereinszweige in den Deutschen Reichsbund für Leibesübungen, der damaligen Dachorganisation aller deutschen Sportverbände. Die ursprüngliche Eigenständigkeit und Neutralität des Alpenvereins hatte man damit vollständig beseitigt. Von nun an unterstand der DÖAV direkt dem Reichssportführer. Eine völlige Neugestaltung der Organisationsform war die Folge. So unbefriedigend dieser Zustand auch war; der Alpenverein besaß kaum Handlungsspielraum, sich der neuen Situation zu widersetzen. Er konnte nur wählen zwischen Verbot und Auflösung oder Anpassung.

Der Einfluß der damaligen Staatsmacht innerhalb des Alpenvereins war in der Folgezeit kaum noch zu übersehen und wurde immer größer. Auch wer jetzt Mitglied werden wollte, mußte völlig neuen Bewertungskriterien entsprechen. Über angeordnete Neuregelungen im Alpenverein, auch in Bezug auf die Mitgliedschaft, wurde zur Außerordentlichen Hauptversammlung des DÖAV-Zweiges Sachsen-Altenburg am 7. Juli 1936 u.a. folgendes bekannt gegeben:

„Danach müssen die Mitglieder des Vereins die Voraussetzungen erfüllen, die für den Erwerb des Reichsbürgerrechts durch einen deutschen Staatsangehörigen reichsgesetzlich bestimmt sind, was im Aufnahmegesuch nachzuweisen ist. Der Vereinsführer wird in der ordentlichen Generalversammlung auf die Dauer von 3 Jahren gewählt und bedarf der Bestätigung durch den Reichssportführer, von dem er jederzeit abberufen werden kann. ...“

Das Ziel der Reichssportführung, staatliche Kontrolle und Gewalt über die Vereine ausüben zu können, hatte man hiermit erreicht. Die politischen Verhältnisse im damaligen Deutschland machten es aber erst möglich.

Unmittelbar nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 kam es in Übereinstimmung mit den neu entstandenen politischen Verhältnissen zur Umbenennung des bisherigen DÖAV. Die Begründung fiel denkbar einfach aus und lautete: „Nachdem nunmehr ... aus den Staaten ein einiges Deutsches Reich geworden ist, sind wir der Deutsche Alpenverein.Der einheitlichen Namensänderung mußten sich auch die einzelnen Alpenvereinssektionen anschließen. In Altenburg nannte man sich daraufhin: „DAV - Deutscher Bergsteigerverband im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen - Zweig Altenburg in Thüringen“. Der bisherige Vereinsname Sachsen-Altenburg hatte seine Gültigkeit verloren.

Die endgültige Umwandlung des Alpenvereins und der angeschlossenen Sektionen nach NS-Vorgaben wurde Ende 1938, zur Hauptversammlung im Großdeutschen Reich in Friedrichshafen, vollzogen. Hierbei verlor die gesamte bisherige Vereinsführung ihre Ämter. Der Reichssportführer persönlich bestellte die neue Alpenvereinsleitung und ernannte den DAV  „... als den für Bergsteigen zuständigen Fachverband im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“. Auch wurden die Aufgaben des DAV mit den Erfordernissen der regierenden Partei in Einklang gebracht. Dies verwundert nicht, denn im Dritten Reich gab es ohnehin keine offiziell zugelassenen Organisationen mehr, die nicht auch äußerlich nationalsozialistisch ausgerichtet waren. Der Anlaß, welcher einst zur Bildung des Alpenvereins in Deutschland führte, hatte nur noch untergeordnete Bedeutung. An dessen Stelle trat vordergründig eine  „... zentrale politische Zielsetzung des planmäßigen und verantwortlichen Einsatzes des Bergsteigens als eines hervorragenden Mittels der weltanschaulich-politischen Erziehung“.  / 2 /   Die bergsportlichen Motive der einzelnen Mitglieder blieben jedoch die gleichen und waren für viele ausschlaggebend, dem DAV anzugehören. Weiterhin galt den Alpen mit seinen vielfältigen Betätigungsmöglichkeiten das Hauptinteresse der meisten Berg- und Naturfreunde. Kritik oder sogar Widerstand einzelner Mitglieder des Altenburger Alpenvereins gegen die NS-Diktatur ist nicht bekannt und gab es vermutlich auch nicht. Man verhielt sich dem Nationalsozialismus gegenüber loyal, wie auch der größte Teil der damaligen Bevölkerung.

Mit dem Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands im Mai 1945 und der zwangsweisen Auflösung des Deutschen Alpenvereins unmittelbar nach Kriegsende endete vorerst auch in Altenburg eine 38 Jahre andauernde, bergsportlich sehr aktive Zeitepoche. Nach dem Abzug der US-amerikanischen Einheiten und dem Einmarsch der Roten Armee in Altenburg wurde jegliche Vereinstätigkeit durch die damalige sowjetische Militäradministration verboten sowie Enteignung und Auflösung des Alpenvereins angeordnet. Das gesamte Vermögen des Zweiges Altenburg hatte man daraufhin beschlagnahmt. Ein Großteil der Unterlagen und das Inventar, darunter die alpine Bücherei, verschwanden durch Plünderung des Vereinslokals, das sich zuletzt im ehemaligen Haus der Landwirte (Weibermarkt 15/16) befand.

Zwei der damals besten Altenburger Bergsteiger, Mitglieder des ehemaligen Alpenvereins, wurden kurz nach dem Einmarsch der Roten Armee in Altenburg verhaftet. Die Gründe hierfür wurden nie bekannt. Während Syndikus Dr. Hans Schramm nach seiner Verhaftung durch sowjetische Militärs auf dem Gelände des Flugplatzes Leinawald bei Nobitz am 28. oder 29. September 1945 an den Folgen schlechtester Haftbedingungen starb, fand Lehrer Fritz Pfeifer im reaktivierten Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar, offiziell Speziallager Nr. 2 genannt, den Tod. Genaueres über das Schicksal dieser beiden Bergsteiger wurde nie bekannt. Gemeinsam mit vielen unschuldigen Menschen, die man damals internierte, wurden sie Opfer des Stalinismus.

Dennoch engagierten sich mehrere ehemalige Mitglieder verschiedener DAV-Sektionen bis etwa Mitte 1948 für eine erneute Zulassung des Alpenvereins in Thüringen und Sachsen. Auch Oberlehrer Balduin Gärtner aus Altenburg hatte sich trotz seines hohen Alters daran beteiligt. Doch alle diese Bemühungen um eine offizielle Anerkennung des Alpenvereins auf dem Territorium der damaligen sowjetischen Besatzungszone blieben am Ende erfolglos. So beantragte der Rat der Stadt Altenburg am 28. Dezember 1948 beim Amtsgericht (Registergericht) die Streichung des Deutschen Alpenvereins - Zweig Altenburg aus dem Vereinsregister Nr. 81/8, Band 2, mit folgender Begründung:

„Dieser Verein ist schon seit Jahren aufgelöst worden und besteht nicht mehr, weil er unter die Direktive 23 des Alliierten Kontrollrates vom 17.12.45 bezüglich Beschränkung und Entmilitarisierung des Sportwesens in Deutschland fällt und auf diesen Verein außerdem die Rundverfügung des früheren Landesamts für Kommunalwesen vom 21.3.46  - III  Z  3/4, Nr. 139 -  Anwendung findet.“

Die formelle Streichung aus dem Vereinsregister durch das Amtsgericht Altenburg, Abt. 3, erfolgte schließlich laut Eintragung am 04.01.1949.

 

Rainer Bauch

Bearbeitungsstand:  22. Mai 2017




Literaturverzeichnis zu Teil 1


/ 1 /    Rainer Bauch: Die Altenburg/Werdauer Rastkogelhütte in Tirol.
In: Altenburger Geschichts- und Hauskalender 2002, Seite 205 bis 211. E. Reinhold Verlag Altenburg, Verlagsgruppe Kamprad.


/ 2 /    Meinhard Sild: Der neue Weg.
In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1939, Band 70, Seite 7. Verlag F. Bruckmann, München.




 
 
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